Der Ortler ist mit seinen 3.905 Metern nicht nur die „höchste Spitz von ganz Tirol“, sondern auch mein Lieblingsberg, seitdem ich ihm als Kind auf dem Madritschjoch das erste Mal gegenüber stand. Viele Jahre hatte ich fest vor, ihn einmal zu besteigen. Bisher hat es dafür leider nicht gereicht, aber im vergangenen Sommer war es immerhin mal wieder an der Zeit, ihn zu besuchen und an seinen Hängen sowie in seinem Angesicht zu wandern. Wir waren drei Tage zu Besuch bei König Ortler in Sulden/Südtirol und haben zwei wunderbare, familientaugliche Wanderungen unternommen, von denen ich euch heute erzählen möchte.

Unsere erste Wanderung startete an der Talstation der Kanzelbahn. Diese brachte uns hinauf auf knapp 2.400 Meter Höhe. Von dort gelangten wir über einen schönen Wanderweg ins ursprüngliche Rosimtal, stets mit Paradeblick auf die drei großen Gipfel gegenüber: Königspitze, Monte Zebru und Ortler. Im Rosimtal weiden Kühe auf grünen Wiesen neben plätschernden Bächen. Wer Glück hat, kann Murmeltiere nicht nur hören, sondern auch sehen. Und wer mag, kann noch ein Stück hinauf steigen immer in Richtung der ehemals großen Gletscher am Großen Angelus, der Vertain- und Pederspitze. Der Klimawandel ist hier deutlich sichtbar, trotzdem verzaubert das Rosimtal kleine und große Wandererherzen. Die Skigebiete rund um Sulden scheinen hier weit weg zu sein.

Der Abstieg durch das Rosimtal zurück nach Sulden erfolgt zunächst durch üppige Wiesen, später durch lichten Bergwald und immer vis-à-vis des mächtigen Ortler gegenüber. Weiter unten führen ein paar Serpentinen steil bergab, bevor man doch den Skipisten und dem Rosimlift einmal begegnet, bevor man an der Talstation der Seilbahn Sulden wieder den Talboden erreicht. Unsere Tour führte uns über 4 Kilometer, 60 Höhenmeter bergauf und 500 Höhenmeter bergab. Damit ist die Wanderung wunderbar für Familien mit Kindern zu begehen und bietet trotz der kurzen Strecke alles, was das Wandererherz höher schlagen lässt.

Für unsere zweite Familien-Wanderung wollte ich König Ortler noch ein wenig näher kommen. Daher fuhren wir dieses Mal mit dem Langenstein-Sessellift auf gut 2.300 Meter bergauf mit dem Ziel, an der Hintergrathütte das einmalige Panorama zu genießen. Um dorthin zu gelangen, mussten wir zunächst die Skihänge unterhalb des Marltgrats queren. Danach führte uns ein stets bergauf führender Pfad immer in Richtung Hintergrat. Besonders anstrengend war dieser nicht, aber man benötigt eine gewisse Schwindelfreiheit und Trittsicherheit.

Und dann war es auch schon so weit: Ein kurzer Schwenk nach rechts und wir standen dem imposanten Hintergrat inklusive seiner gleichnamigen Hütte direkt gegenüber. Ich finde, es gibt in den Alpen nur wenige Plätze, die für eine aussichtsreiche Mittagsrast besser geeignet sind. Als i-Tüpfelchen flog während unserer Einkehr auf der windgeschützten Terrasse noch ein Bartgeier-Paar vorbei. Ich hoffe, ihr könnt eins der beiden Tiere auf dem nun folgenden Bild erkennen.

Von der Hintergrathütte führt ein schöner Weg zurück ins Tal nach Sulden: Dieser geht zunächst an einem idyllischen Bergsee vorbei, bevor er unterhalb der Königspitze einen Schwenk nach links vollzieht. Mal mehr, mal weniger steil geht es nun zurück nach Sulden. Dabei führt der Weg zunächst durch Geröllhänge, später durch blumenreiche Bergwiesen. Unterhalb der Mittelstation der Seilbahn gelangt man über eine Hängebrücke schließlich zu einem imposanten Wasserfall als letztes großes Highlight der Wanderung. Danach wandert man gemächlich über einen Fahrweg zurück ins Tal. Die gesamte Wanderung beträgt 7,5 Kilometer bei 350 Höhenmetern bergauf und 750 Höhenmetern bergab.

Fazit: Es war großartig, mal wieder bei König Ortler zu Besuch zu sein und meiner Familie diesen für mich so wichtigen Berg zu zeigen. Leider war die Zeit zu kurz, um mehr zu erleben. Doch ich bin sicher, wir werden wiederkommen und dann bietet sich sicher mehr Gelegenheit zu Touren rund um meinen Lieblingsberg: Es wäre mal wieder Zeit, die Tabaretta- und Julius-Payer-Hütte zu besuchen und natürlich auch das Madritschjoch, auf dem ich bereits als Kind stehen durfte.